30.12.2025 | Nachricht
Rastatter Notenoffizin
jetzt im Forschungszentrum verfügbar
Im Jahre 2009 verstarb in Rastatt der Musikpädagoge und Kirchenmusiker Hans Peter Eisenmann, der sich über Jahrzehnte hinweg der Musikgeschichte des Südwestens verschrieben hatte (s. den Beitrag von Markus Zepf unten). Eisenmann hinterließ eine große Zahl von praktischen Editionen und eine umfangreiche Materialsammlung. Diese Materialien haben die Erben nun dem Forschungszentrum zur Verfügung gestellt. Die praktischen Ausgaben (s. Kataloge als PDF) können hier nach Voranmeldung eingesehen oder gegen eine kleine Gebühr entliehen werden. Ein Schwerpunkt setzte Eisenmann auf die Werke von Johann Caspar Ferdinand Fischer, Joseph Aloys Schmittbaur, Ignaz Pleyel, François-Joseph Gossec und Friedrich Witt sowie auf Simfonien der Mannheimer Schule. Diese Editionen folgen nicht den Richtlinien des Forschungszentrums und auch die Kommentare genügen wissenschaftlichen Ansprüchen in der Regel nicht. Dennoch sind diese Ausgaben eine große Bereicherung für die musikalische Praxis und wertvolle Studienausgaben. Der Familie, zuallererst Frau Dr. Sophie Eisenmann, sei an dieser Stelle ganz herzlich Dank gesagt.
Markus Zepf ( Leipzig)
Musik aus Mannheim und Rastatt
Unter dem Label »Rastatter Notenoffizin« hat Hans Peter Eisenmann ab 1989 musikalische Werke des 18. und 19. Jahrhunderts einer größeren Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. 1930 als Sohn eines Pfarrers geboren, absolvierte er zunächst ein Studium der Kirchenmusik und Komposition bei Siegfried Reda an der Folkwang-Hochschule in Essen. Nach zweijähriger Tätigkeit als Kantor in Bottrop folgte 1956 in Freiburg das Studium der Schulmusik und klassischen Philologie mit dem Beifach Musikwissenschaft und Meisterklasse Orgel bei Walter Kraft. Von 1961 bis 1993 unterrichtete Hans Peter Eisenmann Latein und Musik an Gymnasien in Breisach und Mannheim, ab 1974 in Rastatt, wo er zugleich bis 1999 das Kantorat an der Evangelischen Stadtkirche bekleidete. Nach dem Rückzug ins Private widmete er sich seiner Notensammlung und vermehrt der Hausmusik. Noch in den letzten Tagen seiner schweren Krankheit übertrug er eine Partitur von Paul Wranitzky. Am 1. November 2009 ist er in Rastatt gestorben.
Mit Leidenschaft hat sich Eisenmann schon in den späten 1960er Jahren unbekannter Musik angenommen. Wählte er die Werke zunächst für seine Schulorchester in Breisach und Mannheim, so stand ab 1974 die Rastatter Kirchenmusik im Fokus, für die er namentlich die Werke der badischen Hofkapellmeister J. C. F. Fischer und J. A. Schmittbaur, aber auch Werke Mannheimer Musiker wie F. X. Richter für Aufführungen einrichtete. Die Partituren und Stimmen schrieb er zunächst von Hand aus; 1986 wechselte er zum Computersatz und unterstützte für einige Jahre einen Musiker beim Aufbau von dessen Musikverlag in Magdeburg.
Die Editionen, die Hans Peter Eisenmann im Laufe von mehr als drei Jahrzehnten im Computersatz vorlegte, folgten seiner musikalischen Entdeckerfreude, können zumeist aber wissenschaftlichen Kriterien nicht standhalten. Die Qualität der Vorlage (ob Autograph, Kopie oder spätere Abschrift) spielte eine untergeordnete Rolle, wichtig war ihm der musikalische Gehalt und die mögliche Brauchbarkeit für die Kirchen-, Schul- oder Hausmusik. Daher finden sich zum Beispiel unter den von ihm bearbeiteten Sinfonien der Familie Stamitz auch Fehlzuschreibungen. In der Einleitung eines 1994 gedruckten Aufsatzes schrieb er treffend: „Ich bitte also um Verständnis dafür, daß ich in der hohen Wissenschaft nicht so sehr zu Hause bin, als vielmehr in einer Kontraposition zum Landläufigen.“ Den hier skizzierten editorisch-philologischen Inkonsequenzen ungeachtet, steht mit dem von Hans Peter Eisenmann erschlossenen Musikalienbestand ein beachtliches Corpus zur Verfügung, das unter Musikerinnen und Musikern regen Zuspruch finden möge.
(Mai 2025)